Mehr als Hundert TeilnehmerInnen begrüßten LR Christian Gantner und LK-Präsident Josef Moosbrugger bei der Internationalen Streuobsttagung im Bregenzer Hotel Messmer. Die Idee zu dieser erfolgreichen Veranstaltung kam von VAKÖ-Obmann Gerhard Polzhofer und „Streuobstpapst“ Richard Hollenstein. Die Umsetzung und somit die ganze Organisation, sprich viel Arbeit, leistete Ulrich Höfert von der LK Vorarlberg/Obst-/Garten und Direktvermarktung. „Herzblut für den Obstbau in Vorarlberg“ nannte er als Antrieb für diese zweitägige Veranstaltung.

Die Vielfalt von Hochstammbäumen ist diesseits und jenseits des Rheins wieder gefragt. Kurse zu Pflanzung und Baumpflege gibt es in Zusammenarbeit mit Baumwärtern sowie Obst- und Gartenbauvereinen. In der Schweiz wird jeder Obstbaum mit ca. SFr. 50,00 gefördert, sofern seine Pflege bestimmten Förderkriterien entspricht. Die Fruchtbrände sind in Vorarlberg besser gefragt, die Eidgenossen kämpfen gegen Gin, Rum und Alkopops. Zudem wird Alkohol auf der Ernährungspyramide so verteufelt wie Zucker. Dafür ist der Mostobstpreis in der Schweiz höher, die Gesellschaft sorgt damit für Wertschöpfung in der Region.
Brennrechte und Landwirte-Privileg
Für Mostereien ist der freie Warenverkehr in der EU von Vorteil, verlockt jedoch dazu, Obst eher zuzukaufen. „In der Schweiz haben wir Hof- und Landwirtebrennrechte, bei den Lohnbrennern ist eine leichte Lockerung feststellbar“, erklärte Richard Hollenstein. Berechnet werden Haus+Hof, landwirtschaftlich genutzte Fläche, Personen und die Zahl der Hochstämme. Das kann bis zu 45 Liter steuerfreien Brand pro Jahr ergeben. Jeder weitere Liter wird mit SFr. 29,00 besteuert.
Sortenbestimmung durch genetischen Fingerprint
Anna Dalbosco vom Schweizer Verein „Fructus“ und Richard Dietrich aus Lauterach engagieren sich seit Jahren für die Erhaltung alter Sorten. „Fructus“ koordinierte für das Bundesamt für Landwirtschaft in 10 Jahren 200.000 Meldungen, hat diese neu geordnet und verifiziert. Diese Datenbank enthält Sortenbestimmungen durch molekulare Analysen und genetische Fingerprints. „Ein Abgleich Schweiz-Österreich ist geplant, wir warten aber noch auf Proben aus ganz Europa“, berichtete Anna Dalbosco. Ziel ist es diese Datenbank öffentlich zugänglich zu machen.
Richard Dietrich hat 1998 mit der Sortenbestimmung begonnen. Viele Obstsorten sind je nach Region unter verschiedenen Namen bekannt. Unterstützung fand Richard Dietrich in der Schweiz, sowie beim Projektpartner „Arche Noah“, dessen Datenbank ca. 6000 Sorten enthält. Die Gemeinden Lauterach und Wolfurt haben 682 Blattproben finanziert.
Zeit, Geduld, Erfahrung
Welcher Baum für welche Nutzung an welchem Standort passt, erklärte Perrine Gravalon vom Agroscope in Wädenswil (CH). Ist der Schneiderapfel der Mostapfel des Jahrhunderts? Kommt drauf an, in welcher Lage der Baum gepflanzt wurde, ob Hochstamm oder Spindel und wieviel er produzieren soll. Cidersorten aus Frankreich wachsen in der Schweiz nicht so gut und manche Sorten sind zu schwach für Hochstamm. Im Agroscope werden diverse Bäume auf Ertrag, Qualität und Absetzbarkeit der Früchte, getestet. Auch die Resistenz gegen Mehltau, Feuerbrand und andere Krankheiten wird erforscht und publiziert. Sortenempfehlungen kann man bei Agroscope herunterladen.
Klimafit und deliziös
„Die Schweizer Wasserbirne wird bei uns verschwinden, weil sie nicht trockenheitsverträglich ist“, sagte Thomas Hepperle vom Kompetenzzentrum-Obstbau in Bavendorf/D. Die Birnenbäume haben Stress durch den Klimawandel mit langen Trockenperioden und Frühjahrstrockenheit. Dagegen empfahl der Experte umsichtige Standort- und Sortenwahl, sorgfältige Pflanzung, Düngung und im Notfall sogar Bewässerung. Die Grüne Jagdbirne, auch als Metzer Bratbirne bekannt ist ebenso widerstandsfähig wie die Nägelesbirne, die Palmischbirne und die Oberösterreichische Weinbirne. Im KOB Bavendorf werden viele Obstsorten dokumentiert, erforscht und gehandelt.
Vielfalt als Chance für Streuobst
„In Baden-Württemberg gibt es etwa 100 Apfel- und 60 Birnensorten“ sagte August Kottmann aus Bad Ditzenbach/D. Diese Vielfalt zeigt sich auch in regional unterschiedlichen Aromen der Früchte. Für ein hochwertiges Destillat, beispielsweise aus der Nägelesbirne, sollten die Früchte ständig aufgelesen, sofort gewaschen, verlesen, gebürstet und eingemaischt werden. Gebrannt wird laut August Kottmann bereits im abklingenden Gärprozess. Birnen mit hohem Gerbstoffgehalt bilden eigene Enzyme und müssen deshalb nicht sofort verarbeitet werden. Der Most von der Oberösterreichischen Mostbirne sollte zur Harmonisierung ein halbes Jahr gelagert werden. Herbstbirnen eignen sich gut für „Hutzeln“, das sind Dörrbirnen, die in Kuchen und Süßspeisen Verwendung finden. Mit ihnen gelangt die Region auf den Teller.
Flächen in Nutzung bringen
Krischan Cords, GF der 2014 gegründeten Main-Streuobst-Bienen e.G. und 150 Mitglieder, bewirtschaften ca. 45 ha Genossenschaftsflächen mit 4000 Hochstämmen. Geerntet werden zwischen 100 und 250 t Äpfel, Birnen, Kirschen, Zwetschgen, Walnuss, Speierling und sonstiges Wildobst. Auf den Markt kommt das seit 2016 biozertifizierte Obst unter der Marke „Main Schmecker“. Der Verein hat zertifizierte Baumpfleger ausgebildet. Apfelsaft, Apfelschorle, Cider, Mischsäfte, Edelbrände, Apfelsekt und Honig werden regional und traditionell hergestellt. Beliefert werden regionale Einzelhändler, Kantinen, Tagungshäuser aber auch Großhändler, Edeka und Rewe.
„Lustenauer Saft“
Günter Bösch stellte den „Lustenauer Saft“, eine Initiative des Umweltreferats der Marktgemeinde Lustenau vor. Mit Unterstützung von Richard Dietrich und Andreas Krammel entstand ein Qualitätsprodukt, das im regionalen Handel, in Schulen und beim Mittagstisch für Senioren angeboten wird. Im August jeden Jahres wird mit Andreas Krammel die Ernte geschätzt und der Preis für etwa 5000 Liter Saft vereinbart. Als nächste Aktion sind in Lustenau ein Fallobstprojekt und eine Bienenoffensive in Vorbereitung.
Alkoholfrei und weniger Zucker
Die Mosterei Möhl in Stachen/CH verarbeitet etwa ein Drittel des Schweizer Obstes. Die Basis dafür ist das Vertrauen der Landwirte und nicht große Schwankungen im Preis. Die Schweiz bezahlt den Obstbauern einen Ernteausgleichsbeitrag. „Der Trend zum Apfelsaft geht zurück, gefragt sind alkoholfreie und Bio-Apfelsaft mit weniger Zucker“, erklärte Ernst Möhl. Bevor es Hagelnetze gab, bekam die Mosterei mehr Tafelobst, jetzt gibt es mehr Mostobst, d.h., mehr Säure die wiederum durch Zucker ausgeglichen werden muss. Dem Zeitgeist geschuldet, werden nun auch alkoholfreier Cider, Apfel gespritzt, Apfel-Schaumwein und trendige Saftprodukte in Glas- und PET-Flaschen hergestellt, was sich gut vermarkten lässt.
Weitblick ist keine Krankheit
Hochstämme brauchen Platz, damit der Baum genug Licht, Wärme und Nährstoffe bekommt. „Fehlerfreies Pflanzmaterial, gutes Wurzelwerk, 3 bis 4 gut entwickelte Leitäste und ein Hartholzstützpfahl von 2,2 m Länge sind die Grundlagen für einen guten Hochstamm“, sagte Richard Hollenstein. Für eine gute Baumentwicklung wird ein Reihenabstand von 12 bis 15 m und eine Pflanzdistanz von 7 bis 9 m empfohlen. Mit Weitblick meinte Hollenstein, dass bei der Pflanzung der Platz für die Krone bedacht werden muss und Bäume Hunger haben, also gedüngt werden müssen. Zum Erhalt der Baumvitalität müssen Wühlmäuse genauso bekämpft werden wie Apfelwickler und Sägewespe. Daher gilt für Pflanzenschutz: so wenig wie möglich, aber so viel wie notwendig. Frühreife, feuerbrandrobuste Sorten mit guten Safteigenschaften sind in der Bodenseeregion gefragt.
Ohne Moos nix los
Marlis Nölly vom BBZ Arenenberg/CH legte eine ernüchternde Kalkulation vor. Steigende Kosten und stagnierende Obstpreise sind in der Schweiz trotz Förderungen kaum noch kostendeckend, geschweige denn gewinnbringend – allerdings bei einem kalkulierten Stundenlohn von CHF 30,00 für den Betriebsleiter. Den größten Hebel sieht Marlis Nölly bei Menge und Preis. Nur fitte Bäume bringen große Mengen. Daher Bäume pflegen, als Ersatz für alte Bäume Spezialsorten anlegen und im Vorfeld schon Abnehmer suchen. Auch die Politik sieht die Expertin in der Verantwortung. Es sind einige Steuerfranken nötig, wenn man das Landschaftsbild am See erhalten will.
Betriebsbesichtigungen
Am zweiten Tag der Veranstaltung standen Exkursionen zu Obstbaubetrieben diesseits und jenseits des Rheins samt interessanten Führungen auf dem Programm. In Lustenau bewirtschaften VAKÖ-Vorstandsmitglied Andreas und Michael Krammel erfolgreich 5 ha mit 2000 Halbstämmen/M25 und 150 Hochstämmen mit dem Bleiber/Weicher-System. Bei der Mosterei Möhl AG in Stachen/CH ist das Safthandwerk Familientradition. Der Obstbau Markus Müller in Muolen/CH verfügt über 570 Hochstammbäume und führt einen Sortenspiegel mit ACW Zuchtnummern. Beim Obstbau Philipp Hafner, Lömmenschwil/CH stehen 1100 Hochstammbäume. Die Tagungsteilnehmer erhielten wertvolle Infos zur Mechanisierung in Pflege und Ernte.


„Wir freuen uns sehr über die Teilnahme so vieler Obstbauern und Brenner aus dem Dreiländereck“, sagte Ulrich Höfert. Die Tagung wird dazu beitragen, das Kulturgut Streuobst in regionalen Obstbaubetrieben wirtschaftlich zu betreiben und somit zu erhalten.
Text und Fotos: Christine Elsensohn
